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Entspannungsmethoden helfen nicht gegen Stress

Nun probiere ich das schon so lange mit diesen Entspannungssachen und es bringt nichts. Der Stress ist immer noch da!

So hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt.

Ich rege mich trotzdem noch über Dinge auf.

Über die Schnarchnase, die vor mir auf dem Weg zur Arbeit fährt, wo ich doch eh schon spät dran bin.

Oder der Computer, der definitiv nicht das tut, was ich gerne von ihm hätte und dabei sollte der das doch können. Ist schließlich ein Computer und der sollte alles können und das auch noch viel schneller als ich und eigentlich müsste der eh schneller denken als ich, also müsste er eigentlich schon wissen was ich will bevor ich es weiß. Tut er aber nicht. Oder doch? Und nur ich weiß es nicht? Hm, sollte ich vielleicht auch mal drüber nachdenken.

 

Na jedenfalls, komme ich nach wie vor in stressige Situationen und dabei haben Die doch gesagt Entspannungsmethoden helfen gegen Stress.

 

Entspannung-Stress-Hilfe-Methode
Entspannungsmethoden helfen nicht gegen Stress

Was ist Stress überhaupt?

Unsere Vorfahren hatten erstmal Stress. Mit Säbelzahntigern kämpfen, Höhle verteidigen, Mammuts jagen. 

Wenn unser Steinzeitmensch, nennen wir ihn „Anno“ (wie anno dazumal), einem Säbelzahntiger gegenüber stand, musste er sich dringend was einfallen lassen, denn ansonsten sah es eher düster aus für ihn. 

Also produziert sein Körper ziemlich schnell, ziemlich viel Adrenalin.

Anno entscheidet „fliehen oder kämpfen“? "Fight or Flight".

 

Anno entscheidet sich für die Flucht. Dank des Adrenalins kann er nun ziemlich schnell laufen. Alles Blut wird in seine Muskeln gepumpt, sein Blutdruck steigt, sein Herz schlägt schneller. 

Alle unwichtigen Körperfunktionen, wie die Verdauung, werden heruntergefahren. 

Anno läuft so schnell er kann und schafft es sich vor dem Säbelzahntiger zu retten. 

Erschöpft zieht er sich in seine Höhle zurück. Er ruht sich erstmal aus. 

Seine Steinzeitfrau Ursula massiert ihm den Nacken und bereitet ihm, während er sich ausruht, ein leckeres Mammutschnitzel zu. 

Annos Adrenalinspiegel sinkt wieder. Er beruhigt sich und kann wieder entspannen. 

Die Stressreaktion von Annos Körper war also durchaus richtig, wichtig und hat sein Überleben gesichert. 

 

Okay, aber was hat das denn nun mit mir zu tun? 

Von Säbelzahntigern und Mammuts kann ich heutzutage keine Spur mehr erkennen. Und bei mir zu Hause steht ja auch niemand vor der Tür und will meine Höhle, äh, meine Wohnung gewaltsam übernehmen. 

Oder doch? 

 

Drängle-Autobahn-Säbelzahntiger-Stress-Entspannung
Der Säbelzahntiger auf der Autobahn

Naja, der Säbelzahntiger ist dann wohl kein wildes Tier, sondern vielleicht der Drängler auf der Autobahn, der mit 250 km/h und Lichthupe auf mich zugerast kommt, während ich gerade in dichtem Verkehr den LKW überhole. 

 

Und das Mammut, welches ich jagen soll, wäre dann wohl eher der zunehmend wachsende Druck in der Arbeitswelt, immer erreichbar sein, es immer allen recht machen wollen, höher, schneller, weiter, besser, … 

 

Und der, der meine Höhle übernehmen will? Tja, das ist dann wohl der Kollege, der meinen Posten gerne hätte und mir ständig Druck und Konkurrenz macht. 

(Wobei ich solche Kollegen ganz ehrlich nicht habe! Bei mir sind alle super auf der Arbeit! Ganz ehrlich … 

Wie ist das bei Dir? Kommt Dir das bekannt vor?)

 

Ja, da steigt auch mein Adrenalinspiegel. 

Ist auch eigentlich ganz gut so, denn so kann ich schnell reagieren und weiche dem Drängler rechtzeitig aus, achte dabei aber auch noch auf den anderen Verkehr und so geht die Situation nochmal gut aus. 

 

Im Job, kann ich schnell Entscheidungen treffen und Aufgaben schnell erledigen. Auch die Präsentation schaffe ich ohne Probleme, obwohl mir vorher das Herz bis zum Hals schlägt. 

Und so hat der fiktive Kollege, der gerne meinen Platz einnehmen würde, eh keine Chance! 

 

Die Reaktion unseres Körpers auf herausfordernde Situationen ist somit also durchaus sinnvoll und auch wünschenswert und völlig normal. 

Und - nur mit ein wenig Stress und wenn wir ein bisschen über uns hinaus wachsen können haben wir auch die Chance und weiter zu entwickeln. Voran zu kommen. Erfolge zu feiern.

Was macht denn dann den Stress zum Stress?

Unsere Bewertung. 

Hä?

 

Ist Dir schon mal aufgefallen, dass manche Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind wie Du, dennoch entspannter und gelassener sind. 

Mir schon. Ich rege mich ständig über Schnarchnasen im Verkehr auf. 

Mein Freund nie. Gut, das mag jetzt auch vielleicht daran liegen, dass er ein Auto fährt, mit welchem er nicht mal die Schnarchnasen überholen könnte. 

 

Dennoch fallen mir da schon ein paar Beispiele ein. Was für den einen Menschen total anstrengend und stressig ist, ist für den Anderen gar nichts Besonderes. 

 

Also, muss es wohl daran liegen wie ich die Dinge einschätze. 

Stress-Entspannung-Brille-Bewertung-Individuell
Die Bewertungsbrille

Und so ist es auch. 

Jeder Mensch setzt seine ganz eigene und individuelle Bewertungsbrille auf und schätzt damit unterschiedliche Situationen, wie Konflikte, Krankheiten, Schmerzen, Verantwortung, individuell ein. 

Bewerte ich die Dinge negativ und sehe sie als eine Überforderung kann sich dies wiederum negativ auf meinen Körper auswirken. 

Ich bekomme Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, kann schlecht schlafen usw.

Kommt mir bekannt vor. Dir auch? 

Sehe ich sie allerdings als Herausforderung, oder Möglichkeit mich weiter zu entwickeln, kann ich an diesen Situationen wachsen und werde keine negativen Folgen davon spüren. 

 

Okay, also ganz einfach. Ich versuche möglichst die Dinge positiv zu sehen und das war’s dann. Stress ade.

 

Ich glaube, da kommt noch ein Faktor dazu.

Der Stress und die Zeit

Kurzfristiger Stress ist für uns eigentlich kein Problem. 

Kurze Schrecksekunde im Straßenverkehr, prompt reagiert dank Adrenalin. Entspannung. Alles gut. 

 

Stressiger Tag auf der Arbeit, abends nach Hause kommen, in die Sauna gehen, relaxen, 8 Stunden schlafen. Entspannung. Alles gut. 

 

Stressiger Tag auf der Arbeit, abends Streit zu Hause, das Kind schläft nicht durch und schreit die ganze Nacht, am nächsten Tag wieder früh raus, Präsentation vermasselt, Gespräch beim Chef, gleichzeitig ruft der Kindergarten an, Kind muss abgeholt werden, krank, Chef unzufrieden, denn du musst früher gehen, und das nach dem Gespräch, Stau zum KiGa, Kind brüllt, du fährst zum Kinderarzt, Wartezimmer überfüllt, ihr müsst stundenlang warten, abends Streit zu Hause, weil alle genervt sind, die Nacht ist der Horror, du kannst nicht zur Arbeit, weil dein Kind auch weiter krank ist, du machst dir Sorgen wegen dem Job, läuft grad nicht so gut, was wäre wenn du den Job verlierst, Du brauchst das Geld, ohne geht nicht, ihr habt gerade gebaut, auch die nächste Nacht wird der Horror, die Ringe unter deinen Augen immer tiefer, dein Kopf schmerzt… usw. usw. 

und das zieht sich so über ein paar Tage oder vielleicht sogar Wochen hin.

 

Keine Entspannung.

Nicht mehr alles gut. Alles schlecht. 

 

Stehen wir unter Dauerstress, reicht unser Adrenalin allein nicht aus. Der Cortisolspiegel steigt ebenfalls. Und Cortisol braucht Ruhe und Schlaf um über Nacht wieder abzusinken. Passiert das nicht oder nur unzureichend ist dein Cortisolspiegel am Morgen schon zu hoch und steigt weiter über den Tag und in der nächsten Nacht wieder, und wieder … 

So steigt er (und noch einige andere Hormone und Wirkstoffe deines Körpers) also immer höher und höher. Und das macht uns krank. 

Bluthochdruck, Herzrasen, Migräne, …  

 

Was wir also dringend brauchen sind Ruhepausen. Phasen, in denen sich unser Körper und unser Geist regenerieren können. So wie Anno damals in der Höhle. 

Klingt irgendwie logisch, oder?

Entspannung-oder Stress-Achtsamkeit-die Wahl
Du hast die Wahl. Was wählst Du?

Helfen mir also Entspannungstechniken doch?

Entspannungstechniken können helfen, gelassener werden zu lassen. Du wirst mit dem Erlernen einer Entspannungstechnik bewusster. Dir selbst bewusster und auch bewusster gegenüber deinem Umfeld und deiner Umwelt. Du kannst diesen Moment zwischen Reiz und Reaktion bewusster wahrnehmen und hast dann die Wahl zu entscheiden, wie Du auf das Ereignis reagierst. 

 

Du kommst in Kontakt mit Deinem Atem. Dein Atem ist Dein hilfreichstes Mittel um Deinen Körper in einen entspannten Zustand zu bringen. 

Du lernst Deinen Körper zu spüren, bewusst wahrzunehmen und kannst so Warnsignale frühzeitig erkennen und darauf reagieren. Dir Pausen nehmen. 

 

Bei mir ist das so. Ich spüre sehr genau, wann es mir zu viel ist und wann ich einen Gang runter schalten sollte. Ich habe gelernt wahrzunehmen was es heißt, wenn mein Nacken sich verspannt. 

Und ich weiß, dass ich nicht meine Gedanken oder meine Gefühle bin. Ich habe immer die Wahl, wie ich reagieren möchte. 

Möchte ich mich über die Schnarchnase aufregen, oder lieber nicht, weil ich es ja gerade eh nicht ändern kann. Nutze ich die Zeit im Auto und höre einen tollen Podcast.

 

Darum helfen Entspannungsmethoden nicht gegen Stress bzw. Stresssituationen. 

Nur weil wir uns entspannen können, heißt das nicht, daß wir ab sofort in einer rosa Wolke über die Erde schweben und uns mit Einhörnern gegenseitig mit Zuckerwatte bewerfen. 

 

Wir werden immer noch in stressige oder herausfordernde Situationen kommen und sicher wird es uns nicht immer gelingen gelassen zu reagieren und freundlich und nachsichtig mit all den unerleuchteten Menschen zu sein, die weit entfernt sind von Meditation und Autogenem Training.

 

Aber wir wissen, wir haben die Wahl und wir haben Möglichkeiten und Handwerkszeug, um uns in einen entspannten Zustand zu bringen. Auch im Alltag, auch im Büro, im Stau, vor der Präsentation oder dem schwierigen Gespräch mit dem Chef. 

 

 

Du hast die Wahl. Was wählst Du?

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Kommentare: 7
  • #1

    Christian (Samstag, 07 April 2018 15:05)

    Sehr interessant und verständlich geschrieben. Hatte auch in letzter Zeit mit Stress zu kämpfen. Und deshalb lese ich jetzt auf meinem Balkon ein Buch in der Sonne �. LG christian

  • #2

    Dein.Frei.Raum (Sonntag, 08 April 2018 00:08)

    Danke lieber Christian für Deinen Kommentar. Ich hoffe Du hast Deinen Balkon-Sonnen-Tag genossen und konntest Dich so entspannen und abschalten. Pausen sind einfach echt wichtig, um unsere Akkus wieder aufzuladen. :-)

  • #3

    Helena (Sonntag, 08 April 2018 09:05)

    Ganz toller Beitrag! Ich freu mich schon darauf noch mehr von dir zu lesen :)

  • #4

    Bettina (Sonntag, 08 April 2018 09:34)

    Ein super gut geschriebener Beitrag der ganz doll neugierig macht auf all das was noch kommt.
    Liebe Grüße,
    Bettina

  • #5

    Diana (Sonntag, 15 April 2018 22:33)

    Danke Euch allen für die lieben Kommentare. Ich freue mich wirklich sehr.

  • #6

    Larissa (Sonntag, 13 Mai 2018 18:24)

    Du hast vollkommen Recht, es ist definitiv die eigene Bewertung, die uns Stress schlimmer oder besser bewerten und darauf reagieren lässt. Allerdings kommt es auch auf die Ausstattung deines Körpers an, wie du den Stress in einer Situation bewertest. Wusstes du zum Beispiel, dass Vitamin D ein Hormon ist. dass wir bilden und das für den Umgang unseres Körpers mit Stress verantwortlich ist. Gibt einen interessanten Artikel dazu zum Beispiel auf https://www.vitaminexpress.org/de/vitamin-d". Wenn man zu wenig Vitamin D im Kröper hat, reagiert man auch viel anfälliger auf Stress - bewertet ihn anders. Wenn man also in Stresssituationen gelassener sein möchte, kann ich nur raten, auch auf den eigenen Vitamin D Spiegel zu achten.

    Grüße
    Larissa

  • #7

    Dein.Frei.Raum (Dienstag, 15 Mai 2018 21:22)

    Liebe Larissa,
    danke für Deinen wertvollen Hinweis. Natürlich ist mir Vitamin D bekannt. Daneben gäbe es dann noch den Eisenmangel und die Pille, die uns ebenfalls hinsichtlich unserer Stressresistenz oder Stressbewertung beeinflussen können. Ganz zu schweigen von allen anderen körperlichen Beschwerden. Als Kinderkrankenschwester komme ich damit ja sehr häufig in Berührung.
    Dafür müsste ich zu jedem Thema jedoch nochmals einen separaten Artikel schreiben. Nun bin ich also grundsätzlich von dem körperlich gesunden Menschen ausgegangen. :-)
    Dennoch hast Du natürlich Recht, gerade in den langen Wintermonaten, in denen uns die Sonne fehlt und unser Körper sich schwer tut ausreichend Vitamin D zu produzieren ist es gut und wichtig ihn zu unterstützen und den Vitamin-D-Spiegel im Auge zu behalten. Oder eben, wenn wir spüren, dass wir nicht mehr im Gleichgewicht sind und wir uns schneller stressen lassen als wir das sonst vielleicht gewohnt sind. Generell ist es ratsam, wenn wir uns nicht wohl fühlen oder wir Dinge anders wahrnehmen als normalerweise, wir aus der Balance geraten sind, eben auch die körperliche Seite abklären zu lassen und Kontakt mit dem Hausarzt aufzunehmen.

    Vielen Dank liebe Larissa für Deinen Kommentar.